CDU Kreisverband Ostalb

Unser Wählerauftrag heißt Kontrolle der Regierung

Im Gespräch mit unseren MdBs

Dr. Inge Gräßle und Roderich Kiesewetter werden im 20. Deutschen Bundestag als direkt gewählte Abgeordnete unsere Region vertreten und erleben dabei gerade eine Zeit der Umbrüche und Erneuerung: Eine neue Oppositionsrolle in Berlin, ein neuer Vorsitzender und neue Aufgaben. Unsere Kreispressereferentin Dr. Sarah Schmid-Nürnberg hat mit Ihnen gesprochen. 
Seit dem 8. Dezember ist die Ampel-Koalition im Amt. Wie würden Sie die Arbeit der Regierung in drei Worten beschreiben?

IG: Überfordert - unterkomplex - Unprofessionell. Ehrlich gesagt, ich bin überrascht, wie verdattert, ideologisch und, wenn es konkret werden soll, verschwurbelt das Regierungspersonal im Bundestag auftritt. 

RK: Untereinander kooperativ und vertrauensvoll, aber völlig uneinig und volatil nach außen.

Liebe Inge Gräßle, Sie gehören dem Haushaltsauschuss des Bundestages an und können damit an eine langjährige Erfahrung als Haushaltskontrolleurin anknüpfen. Wie schätzen Sie vor diesem Hintergrund die Pläne von Finanzminister Lindner zum Nachtragshaushalt ein? Und worauf müssen wir uns im Bereich der Haushaltspolitik in den kommenden vier Jahren einstellen?

Dieser Nachtrag bricht praktisch alle Regeln: Er soll für das Jahr 2021 gelten, wird aber erst in 2022 beschlossen und regelt Ausgaben nicht für 2021, sondern für die Folgejahre. Da werden neue Schulden gemacht, obwohl es Rücklagen gibt. Die Schuldenbremse wird damit ausgehebelt und ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen. Das wird Nachahmer finden. Deshalb ist unsere Klage wichtig und richtig. Da geht es nicht um Kleinigkeiten. Lindner setzt die Axt an das Verfassungs- und Haushaltsrecht an. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass ein FDP-Minister sowas vorlegt.

Die Haltung der Bundesregierung zur Ukraine-Krise steht aktuell besonders im Fokus der Öffentlichkeit. Agiert die Ampel-Koalition aus deiner Sicht hier glücklich und erfolgsversprechend, lieber Roderich? Und wie könnte aus deiner Sicht eine Politik aussehen, um solche Krisen schon präventiv zu de-eskalieren?

Das ist natürlich eine sehr große Herausforderung gleich zu Beginn einer neuen Regierung. Die Außenministerin macht dabei eine durchaus gute Figur, der Bundeskanzler allerdings überhaupt nicht. Problematisch ist, daß die Regierung uneinig in der Frage der Reaktion und der Frage der Präventionsstrategie ist. Das schwächt die deutsche und europäische Position insgesamt und wirft kein gutes Licht auf Deutschland. Eine gute Deeskalationsstrategie ist es immer, eine starke und abgestimmte – vor allem auch – einheitliche europäische Position zu erarbeiten, dazu gehört es, solche strittigen außenpolitischen Positionen bereits in den Koalitionsverhandlungen zu klären. Die Eskalationsdominanz liegt aber bei Putin, wenn es ihm nicht gefällt, wird auch nicht deeskaliert trotz möglicher Sanktionsanstrengungen.

Sie waren acht Jahre Mitglied des Landtags und haben danach unsere Region 15 Jahre in Brüssel und Straßburg vertreten – kennen also alle drei Parlamente aus jahrelanger eigener Erfahrung. Welche Unterschiede stellen Sie in ihrer parlamentarischen Arbeit, aber auch im Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern fest?

IG: Der Landtagswahlkreis ist klein - das erlaubt eine große Bürgernähe. Gesetzgeberisch muss der Landtag aber praktisch Fehlanzeige melden. Da ist Europa faszinierend und unschlagbar, weil der einzelne Abgeordnete im Parlament viele gesetzgeberische Möglichkeiten und Parlamentsrechte hat. Aber die Größe der Wahlkreise und die vielen Sitzungswochen machen den Bürgerdialog schwieriger. Der Deutsche Bundestag hat zwar nur knapp halb so viele Sitzungswochen wie das Europaparlament, aber die Fraktionen haben das Sagen. Sie tragen eine Regierung oder eben nicht. Ich würde mir wünschen, dass alle Parlamente viel Wert auf Kontrolle legen, und da auch die eigene Regierung meinen. Der Bürgerdialog als Bundestagsabgeordnete ist bislang stark durch Corona gehandicapt. Ich hoffe, dass wir die Pandemie bald hinter uns haben. Die Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger für den Bundestag ist ungleich größer als für Europa, keine Frage!

Deine Zeit als Abgeordneter war, seit du 2009 erstmals gewählt wurdest, von der Kanzlerschaft Angela Merkels und einer Regierungsverantwortung der Union geprägt. Wie hat die Oppositionsrolle deine parlamentarische Arbeit verändert? Gab es auch Dinge, die wir als CDU in der Opposition ‚neu lernen‘ mussten?

RK: Klar ist das erst einmal eine Umstellung. Der Unterschied liegt vor allem darin, daß es viel herausfordernder und wesentlich mehr Arbeit ist, die Oppositionsrolle konstruktiv auszufüllen. Denn dann ist es nicht nur nötig, die Regierung zu kontrollieren oder zu kritisieren, sondern immer auch die besseren Vorschläge zu bieten. Mir ist dabei wichtig, daß man nicht blind kritisiert, sondern auch sagt, was gut ist. Wir dürfen uns nichts vormachen, die Union hätte bzw. hat ja mit allen drei Regierungsparteien ebenfalls koalieren können. Neu lernen muss man definitiv die vielen Möglichkeiten und Verfahren der Parlamentarischen Kontrolle. Und die Bequemlichkeit, sich in der parlamentarischen Arbeit einfach nur auf Ministeriumspapiere abzustützen ist vorbei, eigenes Können und eigene Ideen sind endlich gefragt.

Als Folge der historischen Wahlniederlage bei der Bundestagswahl hat auch die Debatte an Fahrt aufgenommen, wie eine Erneuerung unserer Partei aussehen kann. Welche Schritte muss die Union unter ihrem neuen Vorsitzenden jetzt gehen, damit sie 2025 die Oppositionsrolle hinter sich lassen kann?

IG: Es reicht nicht, ständig nur zu definieren, was wir NICHT wollen. Wir müssen sagen was und wie: wie wir mit einer alternden Gesellschaft umgehen, den Industriestandort Deutschland erhalten und ausbauen, Wohlstand mit Bildung und Innovation erzeugen und im Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppen die Maßnahmen entwickeln. Das beste Programm nützt aber nichts, wenn CDU und CSU sich nicht auf gemeinsame Positionen und Personen einigen können. Der letzte Bundestagswahlkampf ist mir diesbezüglich in wirklich schlechter Erinnerung. Ich will da eine wirkliche Veränderung sehen und nicht nur Lippenbekenntnisse.

RK: Am wichtigsten ist, daß die Partei als Ganzes sich nun endlich hinter den Vorsitzenden stellt und wirklich alle diese Wahl akzeptieren. Dann ist es natürlich besonders wichtig, daß Friedrich Merz die Union eint und v.a. Themen der liberalen und sozialen Mitte adressiert, damit die Union wieder für deutlich mehr Menschen der Mitte wählbar wird. Wir haben ja nicht nach rechts verloren, sondern erheblich in der Mitte. Das hervorragende Wahlergebnis von Merz wird da sicherlich den nötigen Rückenwind geben. Zudem sollten wir wie unter Kohl wieder auf die Entwicklungen und Themen achten, die unsere vielfältige Gesellschaft bewegen und weniger auf die eher überalterte Partei mit ihren schwierigen Strukturen. Hier gilt es zugleich kräftig zu reformieren, um unsere Partei zum Abbild der leistungswilligen Mitte unserer Gesellschaft zu machen.